Transformation der Immobilienwirtschaft

Der Ergebnisbericht zum empirischen Forschungsprojekt zu den Auswirkungen der Transformation auf die Immobilienwirtschaft veröffentlicht.

Das Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre hat im Januar 2018 ein 12-monatiges empirisches Forschungsvorhaben gestartet, in dem die Auswirkungen der Transformation im Zusammenwirken mit dem ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturwandel auf die Immobilienwirtschaft untersucht werden. Nun ist der Ergebnisbericht der breiten Befragung aller immobilienwirtschaftlichen Akteursgruppen veröffentlicht worden. Er steht für Sie zum Download (wird in neuem Tab geöffnet) bereit.

Das Forschungsvorhaben wird von der Helaba Tochter OFB Projektentwicklung finanziell und inhaltlich unterstützt. Ziel des Projekts ist es, die Wirkungsmechanismen des Strukturwandels auf die Unternehmen der Bau- und Immobilienwirtschaft im ganzheitlichen Kontext zu verstehen sowie den Anpassungsbedarf der tradierten Geschäftsmodelle, Produkte und Prozesse zu identifizieren.

Zweck des Projekts: Erzeugung eines Big Pictures der Transformation in der Immobilienwirtschaft

Jeder in der Immobilienwirtschaft redet von Digitalisierung und Strukturwandel. Das Thema ist zweifelsohne in der Branche angekommen. Fragt man die Akteure allerdings danach, wo denn Handlungsbedarf besteht, erhält man kaum konkrete Antworten. Besucht man die zahlreichen Branchenevents und liest die bisherigen Studien, die sich mit der Digitalisierung beschäftigen, verfestigt sich der Eindruck „vieler loser Enden“ mit zahlreichen inhaltlichen Fragmenten, die vielleicht zukünftig wichtig werden können, aber nicht müssen. Angesichts der zahlreichen fragmentierten Marktanalysen und Technologiebausteine wächst mit jedem neuen Beitrag die Gefahr, den Blick für das Wesentliche der Transformation zu verlieren und für die Unternehmen den effektiven Anpassungspfad der Immobilienwirtschaft zu verlassen. Das Projekt verfolgt deshalb den Zweck, die Treiber des Strukturwandels zu systematisieren und zeigen, welchem Handlungsdruck die einzelnen Akteure der Immobilienwirtschaft ausgesetzt sein werden.

Was wir bereits wissen:

(1) Die Immobilienwirtschaft steht vor tiefgreifenden Veränderungen

Die Immobilienwirtschaft im Allgemeinen und die Projektentwicklung im Besonderen stehen am Anfang eines Transformationsprozesses, ausgelöst durch einen tiefgreifenden und parallel stattfindenden Wandel in Technik (z.B. Digitalisierung), Wirtschaft (z.B. Globalisierung, zunehmende Wettbewerbsintensität, zunehmende Serviceorientierung) und Gesellschaft (z.B. demografischer Wandel). Die Ergebnisse zeigen, dass der Strukturwandel zu Veränderungsnotwendigkeiten führt, die in ihrer Breite, Stärke und Tiefe deutlich stärker ausfallen, als bislang von den meisten Branchenvertretern erwartet. Nach Einschätzung der befragten Entscheidungsträger geht der stärkste Einfluss auf die Immobilienwirtschaft zukünftig von der Urbanisierung und dem sozio-demografischen Wandel aus. Die Digitalisierung wird derzeit in ihrer praktischen Bedeutung noch überschätzt. Nach Einschätzung der Entscheidungsträger ist sie nur ein Megatrend unter vielen.

(2) Die immobilienwirtschaftliche Transformation geht vom Nutzer aus

Die Befragungsergebnisse der gewerblichen Flächennutzer (Corporates) machen unmissverständlich deutlich, dass sich der Bedarf an Immobilien und immobilienwirtschaftlichen Dienstleistungen in den nächsten Jahren massiv verändern wird. Die Unternehmen benötigen in massivem Umfang Immobilien mit anderen Nutzungskonzepten an zumeist veränderten Standorten. Konkret sehen die hier befragten Nutzer auf der Maßnahmenebene der immobilienwirtschaftlichen Transformation vor allem eine massiv steigende Flexibilität in der Flächennutzung als notwendig an. Die Befragungsergebnisse zu den Anpassungshürden machen deutlich, dass die Nutzer mit den großen immobilienwirtschaftlichen Aufgaben im Strukturwandel aufgrund mangelnder Ressourcen und Qualifikationen zunehmend überfordert sein werden. In den Fokus der Nachfrage werden deshalb zunehmend ganzheitliche, an individuellen Bedarfen orientierte Lösungsangebote rücken, in denen die Dienstleister einzelne Gewerke zu Leistungspaketen bündeln.

(3) „It’s the customer, stupid!“

Überhaupt ist die Immobilienbranche vermutlich viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, wenn Sie sich in ihrer Strukturwandeldebatte auf die Digitalisierung von Prozessen, die Schaffung „digitaler Zwillinge“ und Geschäftsmodelle für Proptechs beschränkt. Und das ist derzeit tatsächlich allerorts zu beobachten. Die Studienergebnisse liefern eindeutige Belege für einen Paradigmenwechsel vom Kapital-geber zum gewerblichen Immobiliennutzer als eigentlichem Kunden des Wirtschaftszweigs. Dieser Paradigmenwechsel wird von der Projektentwicklung am schnellsten erkannt und am deutlichsten in neuen Strukturen und Geschäftsmodellen umgesetzt. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass die Investoren den Nutzern einen höheren Einfluss im immobilienwirtschaftlichen Strukturwandel beimessen als den Investmentmärkten. Die Ergebnisse werfen zahlreiche Fragen nach den zukünftigen Strategien der Immobiliendienstleister auf. Ein tieferer Blick in die leistungswirtschaftliche Wertschöpfungskette der Immobilienwirtschaft zeigt, dass hier bislang keine wirklich echte Integration der Wert-schöpfungsstufen zu Geschäftsmodellen stattgefunden hat.

Was passiert, …

  • wenn große Unternehmen auf absehbare Zeit 50 % ihrer Immobilienflächen aufgeben?
  • wenn die deutsche Industrie anstelle von Produktionsflächen im Eigentum zukünftig massiv Büroflächen zur kurzfristigen Miete nachfragt?
  • wenn deutsche Städte wie München als Standort deutscher Unternehmen zu teuer werden?
  • wenn der Fachkräftemangel im Zuge der Digitalisierung nicht ab – sondern noch weiter zunehmen wird, sodass die Lebensarbeitszeit weiter ansteigt?
  • wenn zukünftig der Weg zur Arbeit für Pendler im Verkehrschaos unmöglich wird und deshalb die Arbeit zum Mitarbeiter kommen muss?
  • wenn die Flächennutzer ihre Miete nicht nur in Geld, sondern auch in Daten bezahlen?
  • wenn Ausländer vermehrt an deutschen Immobilienmärkten per Direktinvestment Wohn- und Geschäftshäuser kaufen?
  • wenn Investoren per Blockchain die Rechte an Zahlungsströmen pro Quadratdezimeter Immobilie fungibel per Smartphone App kaufen und verkaufen können?
  • wenn Immobilien im Vergleich zu anderen Anlageklassen (trotz steigender Zinsen) an Beliebtheit gewinnen, weil die Immobilieninvestmentrisiken sich mittels datenbasierter Analyse zukünftig viel besser bewerten lassen – oder zumindest vermögende Investoren z.B. aus China das über deutsche Investments glauben?

Die Fragen werden ganz sicher in dem Forschungsprojekt nicht alle beantwortet werden. Der Zweck des Vorhabens ist es vielmehr zu zeigen, wie weltweite Megatrends über die Mechanismen veränderter Flächennutzung und Kapitalanlage in die deutsche Immobilienwirtschaft eindringen und wie die digitale Transformation dazu beitragen kann, die Zukunftsfähigkeit immobilienwirtschaftlicher Geschäftsmodelle zu erhalten. Dazu haben wir weit ausgeholt und alle Stakeholder der Immobilienbranche nach ihrer individuellen Betroffenheit und den von ihnen bereits geplanten oder zumindest erwarteten Anpassungsprozessen der Branche befragt. Nach Abschluss der Befragung setzen wir die Fragmente zusammen und zeigen Ihnen an dieser Stelle erste Ergebnisse, die wir im Rahmen unserer wissenschaftlichen Forschung weiter vertiefen werden.