Kognitiv verzerrte Entscheidungen als Ursache für Ineffizienzen in der Immobilienprojektentwicklung
Verzerrte Wahrnehmung der Entscheidungssituationen bei Immobilienprojekten als wesentliche – aber bislang weitgehend ignorierte – Ursache für deren Scheitern
Kosten- und Zeitüberschreitungen bei großen Immobilienprojekten auf die bisherigen Ursachen zurückzuführen springt gefährlich kurz zu. Aus der vorliegenden empirischen Studie spricht vieles dafür, dass ein kognitiv verzerrtes Entscheidungsverhalten als wichtige Ursache neben die bislang üblichen Verdächtigen der ungeeigneten Vertragskonstellation, der schlechten Prozessorganisation, der mangelnden Qualifikationen der Beteiligten und der ungünstigen externen Umwelteinflüssen tritt. Die Befragung von 227 Managern in der Entwicklung von betrieblich durch Unternehmen oder die öffentliche Hand genutzten Immobilienprojekten hat gezeigt, dass Entscheidungsträger in Immobilienprojektentwicklungen erheblichen kognitiven Verzerrungen unterliegen, die die Qualität der getroffenen Entscheidungen negativ beeinflussen und somit die Effizienz der Projektabwicklung erheblich beeinträchtigen. Die festgestellten kognitiven Verzerrungen betreffen die Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten, einen irrationalen Überoptimismus bei der Bewertung von Projektrisiken sowie ein eskalierendes Commitment bei in Schieflage geratenen Projekten. Die nach Akteursgruppen differenzierte Analyse fördert interessante Ergebnisse zu Tage. So ist entstehen auf Seiten der Auftraggeber von Projektentwicklungen bei Entscheidungsträgern der öffentlichen Hand mit Abstand die größten kognitiven Verzerrungen. Die Entscheidungsträger von Bauunternehmen und Projektentwicklern entscheiden dementgegen deutlich rationaler.
Große Erfahrung bei Immobilienprojekten als Fluch und Segen zugleich
Neben dem Ausmaß irrationalen Entscheidungsverhaltens der Projektmanager zeigt die Studie auch die Ursachen dafür. So wiegen sich Projektmanager mit zunehmender Berufserfahrung und Hierarchieebene in trügerischer Sicherheit und überschätzen sich selbst. Ihre große Erfahrung wird für sie zum Fluch und Segen zugleich. Einerseits erhöht sie die Genauigkeit der Entscheidungsfindung unter Unsicherheit andererseits wird die Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung der Rahmenbedingungen des Projekts und damit das Risiko zunehmend unterschätzt.
Fehlendes einschlägiges Fachwissen führt zu gefährlicher, weil unbemerkter Selbstüberschätzung
Dieses Phänomen der Selbstüberschätzung wird noch verstärkt, wenn einschlägiges Fachwissen fehlt. Die Studienergebnisse zeigen, dass mangelndes Fachwissen einher geht mit unbewusster Selbstüberschätzung und irrational hohem Optimismus in Risikosituationen. Während durch mangelndes Fachwissen verursachte Ineffizienzen in Projektentscheidungen vergleichsweise einfach beseitigt werden können, handelt es sich hier um subtilere Effekte auf die subjektive Wahrnehmung von Entscheidungssituationen durch die Manager, die zumeist unbemerkt bleiben und vergleichsweise schwer zu beseitigen sind. Neben dem objektiv vorhandenen Wissen schreiben sich ein Teil der Projektmanager in erheblichem Umfang vermeintliches Wissen zu, über das sie objektiv gar nicht verfügen. Im Ergebnis unterliegen sie einer Kontroll-Illusion, die ebenfalls zu Selbstüberschätzung führt und sie zudem irrational weniger risikoavers entscheiden lassen.
Starke persönliche Anreize im Projekt sorgen für unbewusste Verdrängung in der Wahrnehmung von Risiken
Schließlich zeigen die Studienergebnisse einen Zusammenhang zwischen den Anreizstrukturen und einem überzogenen Optimismus in Risikosituationen. Immer dann, wenn das Projektergebnis die persönliche Vergütung oder den individuellen Karriereweg der Entscheidungsträger maßgeblich beeinflusst, geht dies einher mit einer irrational wenig risikoaversen Wahrnehmung der Entscheidungssituation. Summa summarum zeigt sich ein bislang kaum beachtetes Phänomen des kognitiv verzerrten Entscheidungsverhalten bei den Entscheidungsträgern der Immobilienprojektentwicklung in Deutschland, welches erhebliche Ausmaße annimmt. Die zuständigen Aufsichtsgremien sollten, auch wenn es aufgrund persönlicher Befindlichkeiten der Top-Entscheider der Projekte nicht leicht fällt, darauf reagieren, um zukünftig Zeit- und Kostenüberschreitung zu verhindern. Insbesondere für die Auftraggeber auf Seiten der öffentlichen Hand, der Corporates aber auch der zunehmend aus dem Kapitalanlagemotiv heraus agierenden institutionellen Investoren stellt sich die Frage, ob sie die Entscheidungen der Projektentwicklung zukünftig nicht vermehrt in Kooperationsmodellen gemeinsam mit den deutlich rationaler entscheidenden Projektmanagern auf Seiten der Realisierungs- und Finanzierungspartner treffen sollten.
Die vorliegende Studie untersucht das Entscheidungsverhalten auf der Ebene der Akteure im Projektmanagement. Daraus lassen sich zwar mittelbare Rückschlüsse auf das Gesehen in den real existierenden Projekten treffen. Allerdings war die unmittelbare Analyse der Entscheidungsprozesse in real existierenden Vorhaben nicht Gegenstand der nachfolgend dargestellten Analyse. Hier wäre es für die Zukunft sehr spannend zu sehen, wie sich die hier beobachteten Verzerrungen im Entscheidungsverhalten der Akteure in konkreten Projektergebnissen niedergeschlagen haben.
Die Studie finden Sie zum Download hier.